Soziales

Ein Platz für alle?! – Sozialraumorientierte Konfliktregulierung in Berlin-Mitte

„Ein Platz für alle“ sollte es (wieder) werden, so lautete das Motto der Stadtplanung für die Umgestaltung des Leopoldplatzes, einem der größten öffentlichen Plätze in Berlin Mitte-Wedding. Im Rahmen des städtebaulichen Förderprogramms „Aktives Zentrum und Sanierungsgebiet Wedding-Müllerstraße“ sollte dieser jahrzehntelang vernachlässigte Stadtplatz umfassend saniert und nutzerfreundlich aufgewertet werden. Im Sommer 2010 hatte es der Leopoldplatz mit mehreren überregionalen Fernsehbeiträgen endgültig zu zweifelhafter Berühmtheit gebracht: Seit einigen Jahren versammelte sich dort täglich eine der größten Trinker- und Drogenszenen Berlins. Anwohner, Gewerbetreibende und andere Platznutzer quer durch alle sozialen Schichten beklagten sich über Lärm, Vermüllung, Drogenkriminalität und hygienische Belastungen. Sie machten mit Unterschriftenaktionen und Pressekampagnen gegen die Trinker- und Drogenszene mobil. Zugleich begannen verschiedene Bürgerforen, darunter ein Runder Tisch und eine Bürgerplattform Druck auf Politik, Verwaltung und Polizei auszuüben, um die Situation am Platz zu verbessern.

Im September 2010 wurde schließlich ein „Soziales Platzmanagement“ vom Bezirksamt Berlin-Mitte damit beauftragt, den Konflikt zu entschärfen. Dabei sollte die ansässige Szene weder von der Platznutzung ausgeschlossen noch in andere Gebiete des Berliner Stadtraums verdrängt werden. Gleichzeitig sollte die Attraktivität des Platzes gesteigert werden, um neue Nutzergruppen anzuziehen. Auf Grundlage meiner Erfahrungen in der Konfliktvermittlung mit größeren Gruppen auf einem benachbarten öffentlichen Platz wurde ich für das „Team Leo“ (Soziales Platzmanagement i. A. des sozialen Trägers Gangway e.V. – Straßensozialarbeit in Berlin) engagiert. In diesem Rahmen entwickelte ich einen innovativen konzeptionellen Ansatz für eine partizipative Konfliktregulierung, die auch die Trinker- und Drogenszene einbezog. Dies erforderte im Vorfeld eine breit angelegte konfliktvermittelnde Netzwerkarbeit im Gemeinwesen. Parallel dazu führte ich eine mehrwöchige ethnographische Feldforschung in der Trinker- und Drogenszene durch, in der multiperspektivische Langzeitbeobachtungen mit aktivierenden Befragungen kombiniert wurden, um eine forschungsbasierte Konfliktlösung auf den Weg zu bringen.

Das bezirkliche Gesamtkonzept für den Leopoldplatz umfasste vier Handlungsfelder: (A) Kulturelle Belebung, (B) Bauliche Umgestaltung, (C) Aufsuchende Sozialarbeit/Konfliktvermittlung und (D) Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit. Im Projekt „Streetwork / Soziales Platzmanagement Leopoldplatz“ arbeiteten wir – ein in der mobilen Sozialarbeit erfahrener Kollege, ich als Ethnologin und Mediatorin und später eine weitere Ethnologin – über mehrere Jahre zusammen. Grundlage unserer Tätigkeit war ein interdisziplinärer, multimethodischer Ansatz, der Streetwork, ethnographische Forschung, Mediation und ressourcenorientierte Netzwerkarbeit kombinierte. Zum Kern der Konfliktregulierung gehörte dabei, dass die ansässige Trinker- und Drogenszene aktiv einbezogen wurde und selbst realisierbare Vorschläge zur Verbesserung der Situation einbrachte.

Im kooperativen Verbund mit einer Vielzahl zivilgesellschaftlich engagierter und staatlicher Akteure (darunter Politik, Verwaltung bzw. Stadtplanung, beauftragtes Prozessmanagement, verschiedene Bürgergremien, Kirchengemeinden, Geschäftsstraßenmanagement, Ordnungsbehörden und soziale Einrichtungen) gelang es, die Nutzungskonflikte nachhaltig beizulegen und den Leopoldplatz zu einem „für alle“ attraktiven Platz umzugestalten.

Für meine Tätigkeit im Sozialen Platzmanagement Leopoldplatz wurde ich vom Bürgermeister des Bezirks Mitte von Berlin urkundlich ausgezeichnet. → link zur Urkunde

Der Gesamterfolg des Modellprojekts Leopoldplatz beruht auf dem kontinuierlichen Engagement vieler Akteure im Gemeinwesen, darunter vor allem der Runde Tisch Leopoldplatz, ein bürgerschaftliches Gremium unter langjähriger Federführung des Präventionsrats (Bezirksamt Mitte von Berlin) sowie die „Praktiker vom Leo“, ein Verbund an Akteuren aus den Bereichen Soziales und Ordnung/Sicherheit, die vor Ort sozialraumorientiert, konfliktpräventiv und -regulierend arbeiten.

Beim Berliner Präventionstag 2014 zum Thema „Stärkende Lebensräume – Städtebauliche und sozialräumliche Kriminalprävention in Berlin“ wurde das Projekt „Leopoldplatz – Gemeinsam einen Platz für alle gestalten“ und damit das gesamte Netzwerk von der Berliner Landeskommission gegen Gewalt mit dem zweiten Platz ausgezeichnet. → link zur Preisverleihung.