Nachtruhe versus Party? Eine ethnographische Studie zu Konflikten im öffentlichen Raum in Konstanz
Während der Sommermonate der vergangenen Jahre kam es in Konstanz an den Uferrändern des Bodensees bzw. des Seerheins regelmäßig zu Nutzungskonflikten im öffentlichen Raum. Diese Konflikte sind durch die dichte, unmittelbar ans Wasser angrenzende Wohnbebauung bei gleichzeitig öffentlich zugänglichem Uferbereich strukturell bedingt. Dabei kam es immer wieder zu massiven Beschwerden von Anwohnern, die sich gegen das Nutzungsverhalten großer Gruppen (u. a. Uferpartys mit teils erheblichem Alkoholkonsum sowie Begleiterscheinungen wie nächtlicher Lärm, Glasbruch und öffentliches Urinieren) richteten. Nachdem ein sogenanntes Glasverbot, das die Stadtverwaltung zur Verbesserung der Situation 2011 erlassen hatte, im darauffolgenden Jahr juristisch aufgehoben wurde, suchte der Konstanzer Gemeinderat nach neuen Lösungsmöglichkeiten.
2013 bekam ich den Auftrag, eine ethnographische Untersuchung und Prämediation aufgrund meiner langjährigen Erfahrungen in der Konfliktregulierung bei Großgruppenkonflikten im öffentlichen Raum durchzuführen. Die Fragestellung lautete, ob ein Mediationsverfahren in diesem Fall überhaupt sinnvoll und durchführbar sei. Dazu führte ich eine ethnographische Feldforschung im Zeitraum von Mitte Mai bis Ende Juli 2013 durch. Die Vorgehensweise dieser empirischen Untersuchung war explorativ, multiperspektivisch (d.h. sie bezog Sichtweisen, Bedürfnisse und Interessen sowohl von Bewohnern als auch von Nutzern ein) und beruhte auf gängigen qualitativen Methoden der sozialwissenschaftlichen Datenerhebung. Dazu gehörten strukturierte teilnehmende Beobachtungen in den Abend- und Nachtstunden sowie eine Vielzahl von Interviews und Gruppenbefragungen mit Anwohnern und unterschiedlichen Nutzergruppen.
Diese forschungsbasierte Konfliktanalyse erbrachte u. a. folgende Ergebnisse: Ein Mediationsverfahren erwies sich als nicht durchführbar, weil sich auf Seiten der Anwohner und Nutzer keine Ansprechpartner fanden, die sich an einem geregelten Verfahren beteiligt hätten. Auch eine Pendelmediation war aufgrund der stark fluktuierenden Nutzergruppen nicht praktikabel. Stattdessen lieferte die Studie eine Reihe konstruktiver Vorschläge und Präventionsmaßnahmen von Anwohnern und Nutzern, die darin dargestellt wurden. Inzwischen hat sich ein Präventionsrat der Stadt Konstanz (mit breiter bürgerschaftlicher Beteiligung) gegründet, der einige dieser Maßnahmen – im Blick auf eine nachhaltige Konfliktregulierung vor Ort – realisieren will.
In diesem Projekt wurden ethnographische Konfliktanalyse, Methoden der Mediation und kommunale Beratung kombiniert.